Interview mit Peter Brownbill
Peter Brownbill ist 44 Jahre alt, in Dortmund geboren und ein Allround-Talent im Bereich Schauspiel, Werbung, Theater und Per4mance. Seine Besonderheit: er ist kleinwüchsig.

Ulla Jürgensen: Herr Brownbill, Sie haben seit 2009 in über 40 Filmproduktionen als kleinwüchsiger Schauspieler mitgewirkt. Warum haben Sie recht spät als Schauspieler begonnen?
Peter Brownbill: Ich bin noch in einer Zeit geboren, in der es nicht schick war, ein Kind zu bekommen, das anders als andere Menschen ist. Und das bekommt man auch sehr schnell von der Gesellschaft und seiner Umwelt vermittelt. Kinder, aber auch Erwachsene zeigen mit dem Finger auf einen. Und gerade in der Pubertät steigern solche Reaktionen nicht das Selbstvertrauen. Ich habe mein Handicap verdrängt. Ich habe meinen Körper gehasst und Privat-Fotos waren eigentlich schon zu viel. Mit 40 Jahren hatte ich die Reife und habe einen Kassensturz gemacht. Ich wollte mich in der zweiten Halbzeit meines Lebens, sofern mir so viel Zeit noch bleibt, mich nicht mehr verstecken. Ich habe überlegt, was mich ausmacht oder was mich von anderen Menschen unterscheidet. Ich bin dabei immer wieder auf mein vermeintliches Handicap gekommen. Dann habe ich überlegt, was ich daraus machen kann, oder es vielleicht auch als Vorteil umkehren kann. Es war schnell klar, dass das Showgeschäft bzw. die Schauspielerei mein Ziel sein muss. So offensiv mit meinem Kleinwuchs umzugehen und vor Kameras in Filmen zu agieren, war für mich wie ein „coming out“. Es hat mich sehr befreit und ich finde meinen neuen Weg sehr spannend.
Ulla Jürgensen: Wie erklären Sie sich den rasanten Erfolg?
Peter Brownbill: Es gibt noch ein Handvoll andere kleinwüchsige Schauspieler, aber mein Alleinstellungsmerkmal ist mein Gesicht, da meine Gesichtsstrukturen nicht vom Kleinwuchs betroffen sind. Ich glaube, dass mein „normales“ Gesicht in Verbindung mit meinem kleinen und deformierten Körper einen krassen Kontrast bildet, der die Filmproduzenten und den Zuschauer faszinieren. Außerdem habe ich mich stetig weiter entwickelt. Ich habe Schauspielunterricht genommen, damit man mich nicht nur als Deko in die Kulisse stellt. In jeder Produktion war ich hellwach und habe von anderen Schauspielern oder Regisseuren gelernt und immer viel mitgenommen. Eine kostenlose Ausbildung, die ich dankend angenommen habe und in der ich viele Erfahrungen gesammelt habe. Außerdem gehe ich gerne an Grenzen und verlange meinem Körper bei solchen Produktionen viel ab. Ich bin auch ziemlich unkompliziert. Ich kann mich auch für viele Ideen begeistern und mache auch mal Produktionen, die sehr skurril sind. Ich habe den Mut zur Peinlichkeit und provoziere auch gerne. Das sind alles Faktoren, mit denen ich oft offene Türen bei Produzenten einrenne.

Ulla Jürgensen: Peter Dinklage wurde als kleinwüchsiger Schauspieler in „Game of Thrones“ bekannt und vom Publikum bejubelt. Sehen Sie damit auch eine Chance für eine Öffnung für Kleinwüchsige im Deutschen Fernsehmarkt?
Peter Brownbill: Peter Dinklage kommt sehr seriös und äußerst professionell rüber und das wurde auch durch den Emmy entsprechend gewürdigt. In Deutschland schaut man ja gerne nach Hollywood und durch die Erfolge von Peter Dinklage besteht tatsächlich die Chance, dass einige Autoren oder Produzente ihre Vorurteile gegen kleinwüchsige Schauspieler ablegen, so dass wir tatsächlich aus diesem negativbehafteten Zirkus- und Freakshow-Image herauskommen können.

Ulla Jürgensen: Warwick Davis, ein britischer kleinwüchsiger Schauspieler, ist schon länger im Geschäft und spielt jetzt eine Hauptrolle in einer britischen Sitcom. Wie sehen Sie die Vorbehalte in Deutschland kleinwüchsigen Schauspielern gegenüber? Was sind Vorbehalte von Produzenten?
Peter Brownbill: Amis und Briten gehen ganz anders mit dem Thema um. Insbesondere die Kleinwüchsigen selber sind dort entspannter. Es geht sogar soweit, dass sich der Verband der Kleinwüchsigen in Amerika darüber empört hat, dass die Rollen der Zwerge in dem Film „Snowwhite and the Huntsman“ nicht mit kleinwüchsigen Menschen besetzt wurden, sondern normal gewachsene Menschen mit Computertechnik verkleinert wurden. Link
In Deutschland wären die Kleinwüchsigen auf die Barrikaden gegangen, wenn man kleinwüchsige Schauspieler für die Darstellung von Zwergen genommen hätte. Die kleinwüchsige Schauspielerin Christine Urspruch wird von Kleinwüchsigen boykottiert, weil sie im Tatort „Alberich“ genannt wird, oder das Sams gespielt hat.
Und in der Bevölkerung ist man auch etwas verunsichert, wie man mit einem kleinwüchsigen Schauspieler umgehen soll. Darf man über einen kleinwüchsigen Schauspieler in einer Komödie lachen? Oder soll man lieber sich enthalten, weil man peinlich berührt ist? Freakshows und Kuriositätenkabinette sind in der heutigen Zeit verpönt. Und Schauspielerei kommt von zur Schau stellen. Das ist dann ein schmaler Grat auf dem sich ein behinderter Mensch bewegt. Mit diesem Thema müssen sich natürlich auch Produzenten beschäftigen.

Ulla Jürgensen: Bislang gab es noch keine deutsche Fernseh- oder Kinoproduktion, in der ein kleinwüchsiger Schauspieler eine Hauptrolle spielte. Welche Chancen sehen Sie?
Peter Brownbill: Gerade darin liegt vielleicht die Chance. Es wird Zeit das sich das ändert. Natürlich muss man sich auch immer mit dem Protagonisten in einem Film identifizieren oder man muss ihn anhimmeln können. Deshalb könnten Til Schweiger, Matthias Schweighöfer oder Moritz Bleibtreu auch als Männermodels arbeiten. Aber wir Menschen sind in Wirklichkeit alle nicht perfekt. Was heißt überhaupt perfekt? Ich bin klein, anderen ist der Busen zu klein und anderen ist ein Pickel am Arsch schon zu viel. Wir müssen lernen, uns zu akzeptieren wie wir sind, und vor allem auch die anderen Menschen akzeptieren, wenn sie nicht der allgemeingeltenden Form entsprechen. Ich finde ein Film „Ziemlich beste Freunde“ hat eindrucksvoll bewiesen, wie man einen schönen Film mit wenig Budget machen kann, ohne immer wieder mit Modeltypen irgendwelche Hollywood-Filme zu kopieren.
Ulla Jürgensen: Was würden Sie sich an Rollenangeboten wünschen - im Hinblick auf stereotype Rollen, die kleinwüchsige Schauspieler immer wieder angeboten bekommen (Gnome, Kobolde, Zwerge, etc.)?
Peter Brownbill: Mir liegen eigentlich skurrile Rollen. Ich habe kein Problem mit stereotype Rollen schließlich geht es in Filmen oft darum Klischees zu bedienen. Ich würde mir natürlich anspruchsvolle Rollen wünschen in großen Produktionen. Ich möchte gut unterhalten, egal ob als Zwerg in Schneewittchen oder als tragischer Protagonist in einem Drama. Ich bin noch nicht so lange dabei, dass mir bestimmte stereotype Rollen wirklich aus dem Hals hängen.
Ulla Jürgensen: Wie fühlen Sie sich vor der Kamera, wenn Sie wie 2011 im Spielfilm „Oculus Oceani“ einen Kobold spielen?
Peter Brownbill: Es ist etwas ganz normales. Es wäre doch sehr schade wenn z.B. die Märchen von Grimm nicht verfilmt werden würden. Und in dieser Fantasywelt gehören Zwerge, Kobolde und Gnome eben zu dem Universum dazu.
Ulla Jürgensen: Was war Ihre schlimmste / beste Erfahrung in ihrer bisherigen Laufbahn?
Peter Brownbill: Ich bin mit einer großen Naivität an die Sache heran gegangen und wurde von einigen Menschen in diesem Business enttäuscht. Mir war nicht klar, dass ich mich in einem Haifischbecken befinde, in dem es um viel Geld geht und indem viel gelogen und geheuchelt wird. Diese Erkenntnis tut weh. Das ist im Übrigen auch ein Grund, warum ich mich nun von einer Agentur vertreten lasse, damit ich in Zukunft solchen Leuten nicht mehr auf den Leim gehe bzw. Distanz bewahre. Da ich ein absoluter Filmfreak bin, war es ein Riesenerlebnis Cate Blanchett oder Joe Wright am Filmset zu erleben.
Ulla Jürgensen: Was muss sich gesellschaftlich für Kleinwüchsige ändern?
Peter Brownbill: Das wir akzeptiert werden und nicht behindert werden. Das wir im Alltag sehr präsent sind, damit wir einfach keine Kuriosität mehr sind. Immerhin soll es in Deutschland 100.000 Kleinwüchsige Menschen geben.

Ulla Jürgensen: Was möchten Sie jungen Menschen mit auf den Weg geben?
Peter Brownbill: Auch wenn es manchmal schwer fällt, einfach versuchen seinen Körper anzunehmen wie er ist. Das kostet zu viel Energie und ist oft ein Fass ohne Boden. Und genauso auch anderen Menschen gegenüber treten. Der Körper ist nur eine Hülle, wichtig ist der Geist, der sich darin verbirgt.
Peter Brownbill wird von der CP Agentur vertreten.
Link zur Sedcard und Demoband:
http://www.cp-agentur.de/neu/setcardprn.aspx?ugkdid=33712&art=0
Das Interview wurde am 04.04.2013 geführt.